Entdeckungsreise durch die Romantik
Romantische Chorsätze standen im Mittelpunkt des Konzerts mit dem göttinger vokalensemble am Sonntag in der Nikolaikirche. In den Texten ging es um Wind, Liebe und Meer: ein fein zusammengestelltes Programm mit etlichen unbekannten Kostbarkeiten.
Stolz konnte Dirigent Andreas Jedamzik eingangs berichten, dass es sich bei diesem Konzert bereits um das 100. Projekt des 1992 gegründeten Chores handele – und dass die 31 Sängerinnen und Sänger besonders anspruchsvolle Werke einstudiert hätten, nämlich sechsstimmige bis doppelchörige, also achtstimmige Besetzungen. Die meisten Stücke waren ohne Instrumentalbegleitung, also a cappella. Die einzige Ausnahme: Johannes Brahms‘ Opus 17, in dem der Komponist einen Frauenchor mit zwei Hörnern und einer Harfe grundiert, eine besonders exquisite Besetzung, die fast nie auf Konzertprogrammen erscheint. Susanna Thomas und Tobias Bätge (Horn) sowie Winfried Hummel (Harfe) begleiteten souverän, Hummel präsentierte dazu solistisch Alphonse Hasselmans‘ „La source“
mit großer Virtuosität.
Und auch mit den meisten übrigen Werken ging das Publikum geradezu auf eine Entdeckungsreise durch die romantische Chormusik. Das hatte eine stattliche Zahl von Zuhörern in die Nikolaikirche gelockt. Zwei Chorlieder aus dem Zyklus „Liebe“ von Peter Cornelius standen am Beginn, von Brahms gab es neben den erwähnten vier Gesängen op. 17 die etwas bekannteren Gesänge op. 42, dazu drei Sätze für Männerchor („etwas hemdsärmeliger als bei den Damen“, wie Chorist Sascha Herz in seiner Moderation anmerkte) von Reißiger, Loewe und Rheinberger und drei sechs- bis achtstimmige Gesänge von Peter Cornelius zum Schluss. Mit Feuereifer bei der Sache Keine Frage: Die Choristen waren mit Feuereifer bei der Sache, ihr begeistertes Engagement für diese Musik war ihnen anzusehen, sie waren auch gut vorbereitet und wurden entsprechend lautstark gefeiert. Doch hatte die Sache einen Haken: Mit der Intonation stand es in diesen vielstimmigen Stücken nicht zum Besten. Bisweilen sackte die Stimmung in wenigen Takten um einen Viertelton ab, manche Akkorde waren derart verrutscht, dass sie in ihrer Harmonik nicht mehr erkennbar waren. Und so schön Engagement und Begeisterung ist: Hier und da einmal auch ein Piano, etwas weniger Rohheit im Forte und mehr Homogenität im Chorklang hätten den musikalischen Genuss erheblich verstärkt. Dafür braucht es keine Berufssänger, darum können sich auch Laien bemühen, vor allem dann, wenn sie von einem Dirigenten mit Musikhochschulausbildung betreut werden.
Nächster Auftritt des göttinger vokalensembles: „Swinging Christmas“ am zweiten Advent, 10.Dezember, um 11 und 18 Uhr im Jungen Theater Göttingen, Hospitalstraße 6.
Autor: Von Michael Schäfer, erschienen in: Göttinger Tageblatt am 23.10.2017